Grüne gegen geplante Gemeindefinanzreform

  • Veröffentlicht am: 24. September 2003 - 2:15

Grüne Mandatsträger übergeben Stokar Forderungen für Gemeindefinanzreform

Einen Tag vor Beginn der Klausursitzung der Grünen Bundestagsfraktion hat die Grüne Bundestagsabgeordnete Silke Stokar Grüne Mandatsträgerinnen und Mandatsträger aus der Region Hannover zu einer Diskussion über die geplante Gemeindefinanzreform eingeladen. Diese wird auf der Klausur auch Thema sein. Die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger haben scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung geübt. Die angeblichen Mehreinnahmen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro für die Städte und Gemeinden würden sich bei näherer Betrachtung schnell als Luftbuchungen erweisen. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung endlich begreift, dass die Kommunen kaum noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen können", sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat, Lothar Schlieckau. Zudem seien durch die anhaltende Finanzschwäche der Kommunen längst zahlreiche Arbeitsplätze auch außerhalb der Verwaltungen bedroht. "Völlig unverständlich ist, dass nach jetzigen Planungen der rot/grünen Bundesregierung große Unternehmen weiter entlastet und damit aus der Verantwortung genommen werden", kritisierte Schlieckau.

Zusammengefasst haben die Grünen aus Hannover ihre Kritik in der beigelegten Erklärung, die Stokar für die Verhandlungen in der Bundestagfraktion mit auf den Weg gegeben wurde.

Silke Stokar, zeigte Verständnis für die Proteste. "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Gemeindefinanzreform ist weit von dem entfernt, was die Kommunen nach den Verhandlungsgesprächen erwarten konnten", sagte Stokar. "Ich werde mich in der Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass das Kommunalmodell wieder zur Grundlage der Entscheidung wird. Ohne Nachbesserungen ist der Gesetzentwurf nicht zustimmungsfähig."

Erklärung Grüner Mandatsträgerinnen aus der Region Hannover zu den derzeitigen Plänen der Bundesregierung zu einer Gemeindefinanzreform

Die Städte und Gemeinden in der Region Hannover befinden sich, wie nahezu alle Kommunen, in einer tiefen Finanzkrise. Die Ursachen für diese katastrophale Entwicklung sind seit vielen Jahren bekannt: Die wichtigste kommunale Einnahmequelle, die Gewerbesteuer, verzeichnet nach jahrzehntelangem Aushöhlen der Bemessungsgrundlage drastisch rückläufige Einnahmen. Hierfür sind nicht allein aktuelle konjunkturelle Probleme verantwortlich, sondern vor allem die Gestaltbarkeit dieser Abgabe insbesondere für große Kapitalgesellschaften. Die Aufwendungen im Bereich der sozialen Pflichtaufgaben der Kommunen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu verdreifacht.

Die Notwendigkeit einer Reform der Gemeindefinanzen ist schon lange unbestritten, eine zukunftstaugliche Finanzausstattung der Kommunen wurde oft in Aussicht gestellt. Die Regierung Kohl hat sich dieser Aufgabe immer wieder entzogen, die derzeitige CDU/FDP Opposition hat darüber hinaus noch in jüngster Zeit mit ihrer Blockadehaltung im Bundesrat finanzielle Verbesserungen für die Kommunen verhindert.

Wir begrüßen von daher ausdrücklich, dass die rot-grünen Bundessregierung die Reform der Gemeindefinanzierung angeht, halten das vorgelegte Konzept jedoch für ungeeignet.

Während sich abzeichnet, dass die Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe, die in sie gesetzten Hoffnungen in großen Teilen erfüllen wird und mit der Erhöhung ihres Umsatzsteueranteils den Kommunen erhebliche vor allem aber stetige Einnahmeverbesserungen zugestanden werden, sehen wir im Bereich der neuen kommunalen Wirtschaftssteuer erheblichen Nachbesserungsbedarf:

Die reformierte Gewerbesteuer darf nicht eine reine Gewinnsteuer werden. Dadurch wäre sie für die Unternehmen noch einfacher zu umgehen, als die Gewerbesteuer in ihrer gegenwärtigen Form und dann als wichtigste Einnahmequelle der Kommunen vollends unplanbar.

Durch die Umwandlung in eine reine Gewinnsteuer steigt außerdem das Risiko, dass die neue "Gemeindewirtschaftssteuer" für verfassungswidrig erklärt wird, da sie sich nicht mehr wesentlich von der Einkommensteuer einerseits und der Körperschaftssteuer andererseits unterscheidet.

Während Gewerbetreibende und Freiberufler je nach zu versteuerndem Einkommen und örtlichem Hebesatz z.T. Mehrbelastungen zu verzeichnen haben, werden Kapitalgesellschaften u.a. durch die Senkung der Gewerbesteuermesszahl entlastet. Die neue Gemeindewirtschaftssteuer begünstigt damit große Kapitalgesellschaften, die durch die Reform der Körperschaftsteuer bereits massiv entlastet worden sind.

Die Reform - so das Ergebnis der Kommissionsarbeit und breiter Konsens in der bisherigen Diskussion - sollte sich aus unserer Sicht an den Eckpunkten des Kommunalmodells orientieren:

Die bestehenden Gestaltungsspielräume z.B. bei der Gewinn- und Verlustverrechnung zwischen Holdingtöchtern (steuerliche Organschaft) sind einzuschränken. Die "Steuerschlupflöcher" insbesondere für Großunternehmen müssen geschlossen werden.

Alle Selbständigen- also auch die sog. Freiberufler wie Anwälte, Ärzte, Ingenieure, Wirtschaftsprüfer und Notare sollten in die Gewerbesteuer einbezogen werden, sofern ihr Gewerbeertrag einen angemessenen Freibetrag überschreitet. Die Gewerbesteuer sollte dabei der Einkommensteuer angerechnet werden können.

Die Bemessungsgrundlage ist zu verbreitern, zukünftig müssen auch Zinsen, Mieten und Pachten in voller Höhe in die Berechnung der Gewerbesteuer einfließen. Die derzeit geltenden Hinzurechnungen nach § 8 des Gewerbesteuergesetzes können aus den o.g. verfassungsrechtlichen Bedenken aber auch Gründen der Kalkulierbarkeit auf der gemeindlichen Seite nicht auf Null gesetzt werden. Die bestehende steuerliche Diskriminierung des Eigenkapitals muss beseitigt werden.

Erst auf dieser Grundlage kann eine Steuermesszahlsenkung erfolgen, die diejenigen Unternehmen entlastet würden, die heute die Gewerbesteuer nahezu allein tragen.

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